Im ersten Teil unserer Mini-Serie zum neuen europäischen Urheberrecht stellten wir Überlegungen vor, wie sich Social Media und Online Marketing auf die anstehende Reform vorbereiten können. Diesmal setzen wir uns mit den Konsequenzen für Webseitenbetreiber auseinander. Egal ob kleiner Blog oder große Firmenhomepage: wer eine Website im Netz unterhält, muss sich vergewissern, dass seine Präsenz im Internet zum neuen Urheberrecht konform ist.*
Kurze Anmerkung: Artikel 13 ist derzeit in EU internen Dokumenten als Artikel 17 aufgeführt. Da aber die öffentliche Debatte sich weiterhin um die bisherige Nummerierung dreht und der Artikel unter der Nummer 13 weitaus bekannter ist, behalten wir aktuell die bisherige Nummerierung bei.
Die grundlegenden Auswirkungen der Entscheidung bzgl. des Artikel 13 lest ihr hier!
Wann ist eine Plattform eine Plattform?
Zugegeben, diese Frage wirkt für Leser ziemlich seltsam. Gemeint ist, dass Artikel 13 von jedem Betreiber einer Plattform erfordert im Besitz sämtlicher Lizenzen für urheberrechtlich geschütztes Material zu sein. Ein Upload oder zur Verfügung stellen dieses Materials, gleich ob vom Betreiber selbst oder einer dritten Person, ist ein Verstoß gegen die neue Richtlinie.
Bisher musste geistiges Eigentum erst bei Meldung des eigentlichen Inhabers gelöscht werden, zum Beispiel im Rahmen einer Klage durch den Urheber. Zwar werden sogenannte „Uploadfilter“ mit keiner Silbe im Text der Reform erwähnt, aber ohne sie wird es unwahrscheinlich sein, die Reform umzusetzen. In diesem Sinne ist eine Plattform alles im Internet, wo ein Zugriff auf Inhalte möglich ist. Sowohl vom Betreiber, als auch durch Dritte. Deshalb die Eingangsfrage, ab wann zählt der eigene Webauftritt als Plattform in Hinblick auf das neue europäische Urheberrecht?
Ist mein Webauftritt eine Plattform?
Vermutlich Ja! So banal es klingen mag. Solange die Homepage keine leere Seite ist, auf der es nichts zu sehen gibt, ist alles darauf als Inhalt zu werten. Selbst eine einfache Visitenkarte im Netz ist eine Form von Inhalt. Ist man persönlich zuständig für die Betreuung der Page, ist es natürlich folgerichtig, dass darauf kein urheberrechtlich geschütztes Material verwendet werden darf, für das man keine Verwertungs- und Benutzungsrechte besitzt. Dies war im bisherigen Recht ebenfalls ein Verstoß, gegen den juristisch vorgegangen werden durfte. Wenn es jedoch für niemandem außer dem Betreiber selbst gestattet ist, (inhaltliche) Veränderungen an der Homepage vorzunehmen, ändert sich trotz Artikel 13 nicht viel. Wie zuvor ist es nicht erlaubt, fremdes Material gewerblich zu nutzen, es sei denn Homepage-Inhaber und Urheber haben sich vertraglich geeinigt. Problematisch ist deshalb der Umgang mit Inhalten, den die User generieren. Ist es auf einer Website durchführbar, dass die Nutzer Beträge beisteuern können, gilt diese Seite als Plattform.
Der richtige Umgang mit User-Generated-Content
Schon ein knapper Text kann zum Verhängnis werden, da Texte durch Artikel 11(neu 15) einem Leistungsschutzrecht unterworfen sind. Dazu zählen außerdem Links. Posten also Nutzer auf der Homepage eine Verlinkung, die genug Text enthält, führt dies unter Umständen zu einer Verletzung des neuen europäischen Urheberrechts.
Webseiten-Betreiber fällt die Aufgabe zu, festzustellen, über welche Wege auf der eigenen Homepage von außen interagiert werden kann. Zudem ist es nötig zu überprüfen, was davon unverzüglich auf der Seite erscheint. Intern sollten deshalb alle Funktion der Website mit Rücksicht darauf besprochen werden. Gibt es Kontaktformulare, eine Kommentarfunktion, die Möglichkeit ein Profil zu erstellen oder Dateien hochzuladen? Nach dieser Maßnahme, bei dem alle Eventualitäten zur Nutzung durch die User aufgelistet wurden, gilt es einen Maßnahmenkatalog zu erstellen, um schon im Vorfeld die Verbreitung von rechtlich geschütztem Material zu verhindern.
Benötigen wir einen „Uploadfilter“?
Noch ist völlig offen, woher die „Uploadfilter“ eigentlich kommen sollen? Wer wird der zukünftige Anbieter dieser Technik sein und wie wird sie vertrieben? Und wie soll sichergestellt sein, dass es sich dabei um eine Standardlösung handelt, wie von den EU-Parlamentarier gefordert. Hier schafft es nur Abhilfe, sämtliche Entwicklungen der nächsten zwei Jahre genauestens im Fokus zu haben. Dies ist die Zeitspanne, in der aus der EU-Richtlinie national geltendes Recht wird.
Wurde im vorherigen Schritt festgestellt, dass User-Beiträge keine größere Rolle im Auftreten und Strategie des Unternehmens spielen, reichen kleinere technische Maßnahmen, wie eine Kommentarfunktion, bei der erst nach Prüfung durch die Redaktion oder den Seitenverantwortlichen die Inhalte freigeschaltet werden können.
Übersteigt die Anzahl an User-Generated-Content jedoch die Summe, bei der eine Kontrolle von Hand realistisch ist, muss sich das Unternehmen – dem momentanen Stand nach – auf „Uploadfilter“ und dem Erwerb von Lizenzen einstellen. Ebenso betroffen sind Unternehmen, die gewerblich von Nutzern erstellten Content auf ihrem Online-Auftritt einbinden oder dies als Marketing-Werkzeug nutzen.
Welche Lizenzen brauchen wir?
Gewissenhaft kann dies erst in zwei Jahren vollständig beantwortet werden. Dennoch sollten sich Unternehmen darauf einstellen, Lizenzen aufzunehmen. Bietet beispielsweise die eigene Firmenpage die Option eines Livestreams seitens der Besucher an, ist ein Kauf der notwendigen Lizenzen unumgänglich. Dabei erstreckt sich dies nicht nur auf den primären Content, sondern auf jeglichen sekundären Content. Angenommen ein Videospiel wird von einem Spieler live „gestreamt“ und im Hintergrund der Aufnahme sind Plakate von Kinofilmen zu sehen. Der Homepage-Inhaber muss nun sowohl die Lizenz für die Nutzung des Spiels, als auch die der drei Filme einholen. Selbst wenn der Stream nicht aus den eigenen Räumlichkeiten des Unternehmens gesendet wird.
Der zukünftige Erwerb wird wohl kaum unkompliziert ablaufen, wie an diesem Beispiel verdeutlicht. Deshalb ist es ratsam, sich schon frühzeitig Gedanken zu machen, wie und in welcher Form Situation entstehen könnten, bei denen urheberrechtlich geschützte Inhalte auftauchen.
Für die nähere Zukunft müssen Unternehmen erste Ideen finden, um in zwei Jahren rechtzeitig handlungsfähig für das dann verbindlich geltende Urheberrecht zu sein. Denn dieses unterscheidet nicht nach der Größe eines Unternehmens, sei es ein Blog oder der Mittelpunkt eines Firmennetzwerks, jede Teilnahme am Internet wird davon betroffen sein. Einzige bisherige Ausnahme: Startups, die nicht älter als drei Jahre sind und sich unterhalb einer bestimmten Umsatzgrenze bewegen.
* Disclaimer: Dies ist kein juristischer Text. Di.Ri Social Media ist keine Rechtsberatung. Wir handeln nach bestem Wissen und Gewissen. Der vorliegende Text ist lediglich eine Einschätzung auf der Basis unserer Tätigkeit als Social Media Marketing Agentur, wie sich die EU-Urheberrechtsreform auf die Branche auswirken könnte. Die darin besprochenen Vorschläge sind nur als Ideen und nicht als juristische Ratschläge zu verstehen. Wir garantieren keine juristische und formal rechtlich inhaltliche Vollständigkeit. Für konkreten juristischen Beistand bezüglich der EU-Urheberrechtsreform ist ein Anwalt zu konsultieren.